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Vor zwanzig Jahren war ich ein ziemlich normales Kleinkind. Ich hatte keine Ahnung, dass sich mein Kindergarten genau am Leipziger Ring gegenüber des Neuen Rathauses befand und ich habe es wahrscheinlich nicht verstanden, warum mich meine Mutter an diesem Montag schon so früh abholte. Ich konnte ihre Aufregung nicht verstehen, die sie ergriffen hatte, seit ein ehemaliger Kollege, der zu dieser Zeit im Rathaus arbeitete, in ihr Büro gestürmt war und gesagt hatte: "Hol dein Kind. Heute gibt's Krieg!"
Ich habe die bis an die Zähne bewaffneten Soldaten und Kampfgruppen nicht gesehen, die sich in den Seitenstraßen zu postieren begannen, als meine Eltern, die Innenstadt meidend, mit mir nach hause fuhren. Ich hatte kein beklemmendes Gefühl, keinen Klos im Hals, so wie meine Mutter, die nur eins wollte: mich in Sicherheit bringen. Als am Abend in den Nachrichten klar wurde, dass es keine Gewalt gegeben hatte, lag ich schon im Bett. Erst jetzt, zwanzig Jahre später mit den Bildern im Fernsehen und den Erzählungen meiner Mutter, wird mir klar, dass auch ich ein winzig kleiner Teil der Geschichte war. Ich war der Grund dafür, dass meine Eltern an diesem Tag nicht dort auf dem Ring waren. Ich war ein Teil ihrer Angst, ein Teil des Druckmittels. Ein seltsames, beklemmendes Gefühl. Vielleicht eine Spur von dem, was meine Eltern empfunden haben mochten.
yours truely
covergirl
PS. Ich saß heute im Zug, als ich über mein Handy im Radio die Rede von Werner Schulz hörte. Ich fuhr von West nach Ost.
Ich habe die bis an die Zähne bewaffneten Soldaten und Kampfgruppen nicht gesehen, die sich in den Seitenstraßen zu postieren begannen, als meine Eltern, die Innenstadt meidend, mit mir nach hause fuhren. Ich hatte kein beklemmendes Gefühl, keinen Klos im Hals, so wie meine Mutter, die nur eins wollte: mich in Sicherheit bringen. Als am Abend in den Nachrichten klar wurde, dass es keine Gewalt gegeben hatte, lag ich schon im Bett. Erst jetzt, zwanzig Jahre später mit den Bildern im Fernsehen und den Erzählungen meiner Mutter, wird mir klar, dass auch ich ein winzig kleiner Teil der Geschichte war. Ich war der Grund dafür, dass meine Eltern an diesem Tag nicht dort auf dem Ring waren. Ich war ein Teil ihrer Angst, ein Teil des Druckmittels. Ein seltsames, beklemmendes Gefühl. Vielleicht eine Spur von dem, was meine Eltern empfunden haben mochten.
yours truely
covergirl
PS. Ich saß heute im Zug, als ich über mein Handy im Radio die Rede von Werner Schulz hörte. Ich fuhr von West nach Ost.
_covergirl_ - 9. Okt, 23:38